DEUTSCHE VEREINIGUNG FÜR VORSORGE- UND BETREUUNGSRECHT e.V.

Entwicklung der Rechtsprechung zur Bindungswirkung von Patientenverfügungen

BGH, 17.09.2014 – Az.: XII ZB 202/13:

Bereits in seinem Beschluss vom 17.09.2014 hat der BGH erste Anforderungen für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung festgelegt. Dieser Entscheidung lag der Fall einer Wachkomapatientin zugrunde, die nach einer Gehirnblutung über eine PEG-Magensonde ernährt wurde. Die Betroffene hatte keine schriftliche Patientenverfügung errichtet, aber sie hatte Äußerungen gegenüber Zeugen getätigt, dass sie Entsprechendes nicht wollte. Im Rahmen des Betreuungsverfahrens beantragten Ehemann und Tochter, ihnen zu genehmigen, nicht mehr in weitere lebenserhaltende Maßnahmen einzuwilligen bzw. die Genehmigung der Einstellung der entsprechenden Maßnahmen zu erteilen. Der BGH gab dem ablehnenden Amtsgericht Recht. Er hat es – nicht nur bei Vorliegen einer wirksamen Patientenverfügung, sondern auch bei der Ermittlung eines Behandlungswunsches – als erforderlich angesehen, dass konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen zu ermitteln sein müssen. Nicht ausreichend seien allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten sei. Es werde vorausgesetzt, dass der Betroffene umschreibend festgelegt hat, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was er nicht will. Maßgeblich sei weiter, dass die Handlungsanweisungen des Betroffenen, welche zu einem Zeitpunkt erteilt wurden, als ein bestimmter ärztlicher Eingriff noch nicht unmittelbar bevorstand, auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zugeschnitten sind (sog. Kongruenz von Patientenwillen und ärztlichem Eingriff). Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten deshalb strenge Beweismaßstäbe, da der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter Rechnung zu tragen sei.

BGH, 06.07.2016 – Az.: XII ZB 61/16:

In seinem Beschluss vom 06.07.2016 stellt der BGH klar, dass allgemeine Anweisungen nicht ausreichen, um einen konkreten Behandlungswunsch zu formulieren und damit eine unmittelbare Wirkung der Patientenverfügung zu erreichen. Die dort befasste Patientenverfügung einer Frau, die einen Hirnschlag erlitten hatte, enthielt die Anweisung, in einem entsprechenden Zustand „keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr durchzuführen“. Diese Formulierung war nach Ansicht des BGH nicht hinreichend präzise, um eine rechtwirksame Vorgabe für das Abstellen einer Ernährungssonde zu begründen.  Die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthalte für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die insoweit erforderliche Konkretisierung könne aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

BGH, 08.02.2017 – Az.: XII ZB 604/15:

Mit dem Beschluss vom 08.02.2017 konkretisierte der BGH im Rahmen der Beurteilung der Voraussetzungen einer für den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bindenden Patientenverfügung diese Anforderungen weiter dahingehend, dass aus der Patientenverfügung heraus feststellbar sein muss, in welcher Behandlungssituation welche ärztliche Maßnahme durchgeführt oder unterlassen werden soll. Auch hier war eine wachkomatöse Schlaganfallpatienten mit einer Magensonde künstlich ernährt worden und hatte eine Patientenverfügung erstellt. Laut BGH genügt eine Patientenverfügung, die einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, etwa durch Angaben zur Schmerz- und Symptombehandlung, künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebung, künstlichen Beatmung, Antibiotikagabe oder Dialyse, dem Bestimmtheitsgrundsatz.

BGH, 14.11.2018 – Az. XII ZB 107/18:

Weiterhin kann die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung sich im Einzelfall bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln, so der BGH in seinem Beschluss vom 14.11.2018

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